Wissenswertes

Stimmen

Prominente Künstlerpersönlichkeiten äußern sich zu ihrem ganz persönlichen Verhältnis zu Georg Philipp Telemann.

Paul Dombrecht
Michi Gaigg
Reinhard Goebel
Ludwig Güttler
Nikolaus Harnoncourt

Wolfgang Hirschmann
Felix Koch
Dorothee Oberlinger
Siegfried Pank
Burkhard Schmilgun

Peter Schreier
David Stern

Burkhard Schmilgun (Produzent)
Erinnern Sie sich an Ihre erste Begegnung oder ein besonderes Erlebnis mit Telemanns Musik?
Dass unser Langzeitgedächtnis sehr selektiv funktioniert, ist bekannt: Prägende Momente bleiben. Dazu scheint meine erste Begegnung mit Telemann zu gehören. Es wird in den 60-er Jahren gewesen sein, als es noch so etwas Schönes wie den Schulfunk im (damals) westdeutschen Radio gab. Als Schüler konnte man ihn nur hören, wenn man eben nicht in der Schule war: also hauptsächlich bei zu Hause verbrachten Krankheiten. Da gab es super gemachte Hörspiele zu allen möglichen Themen. Mich interessierten damals schon die Krimis aus der Musikgeschichte am meisten. Eines Tages dann: Georg Philipp Telemann in Eisenach im Streit mit Pantaleon Hebenstreit. Schon beider Namen übten große Faszination auf den 10-Jährigen aus. Aber erst die eingespielte Telemannsche Musik – es war die B-Dur-Ouverture aus dem 3. Teil der „Tafelmusik“: Ich war hingerissen. Meine ersten Schallplatten, die ich mir wünschte: alles Telemann. In unserer heimischen Musikbibliothek in Bielefeld gab es eine riesige Schallplattensammlung und schalldichte Hörboxen: da hab ich dann den ganzen vorhandenen Telemann immer wieder rauf-und runtergehört. Mutet heutzutage seltsam an für einen 10-15-Jährigen! Hat aber, wie man sieht, nicht geschadet.

Welche Komposition(en) Telemanns würden Sie mit auf die legendäre einsame Insel nehmen?
1. Die gesamte Tafelmusik, aber mindestens das große A-Dur-Doppelkonzert (Flöte, Violine) aus dem ersten Teil; 2. Das große Altersoratorium „Der Tag des Gerichts“; 3. Die „Ino“-Kantate, die das Tor zur Klassik aufmacht; 4. Das Passionsoratorium „Der Tod Jesu“; 5. Die Bläserkonzerte der cpo-Gesamteinspielung mit Michael Schneider.
Worüber würden Sie sich mit Telemann bei einem Glas Wein gern unterhalten wollen?
Setzen wir den Fall, das Gespräch fände 1755 statt: Bei einem so allseits gebildeten und an allem interessierten Menschen würde das Gespräch sicherlich um „Gott und die Welt“ gehen. Besonders interessieren würde mich aber schon sein Verhältnis zu Johann Sebastian Bach. Was kannte er z.B. von dessen Kompositionen? Kannte er etwas von den Passionen, den Kantaten?
In seinem Nachruf auf Bach erwähnt er ja nur den genialen Organisten… Andererseits: Hatte er schon mal was von Johann Stamitz oder gar Haydn gehört…?

Was hat Telemann, was andere nicht haben?
Unnachahmliche Eleganz in der melodischen Erfindung, Charme, Witz, Esprit. Andererseits kann er in Trauermusiken berührend und anrührend wie kaum ein anderer schreiben (Beispiel: Anfangschor der Trauermusik für Bürgermeister Sillem). Generell: Keiner kann so heitere, im besten Sinne unterhaltende Musik in Moll schreiben (Achten Sie mal drauf!).

[Quelle: Telemann aus Magdeburg. 50 Jahre betont. Programmheft der Magdeburger Telemann-Festtage, 9.-18. März 2012, S. 136.]