Wissenswertes

Stimmen

Prominente Künstlerpersönlichkeiten äußern sich zu ihrem ganz persönlichen Verhältnis zu Georg Philipp Telemann.

Paul Dombrecht
Michi Gaigg
Reinhard Goebel
Ludwig Güttler
Nikolaus Harnoncourt

Wolfgang Hirschmann
Felix Koch
Dorothee Oberlinger
Siegfried Pank
Burkhard Schmilgun

Peter Schreier
David Stern

David Stern (Dirigent)

Erinnern Sie sich an Ihre erste Begegnung oder ein besonderes Erlebnis mit Telemanns Musik?

Meine erste Begegnung mit Telemann hatte ich durch die Suite in a-Moll für Blockflöte, auf der Querflöte, gespielt von Jean-Pierre Rampal. Natürlich war dessen Interpretation des Stückes sehr romantisch, aber die elegante Gefühlsbetonung der Tänze passte zu Rampals Stil und er brachte dadurch viele wunderbare Affekte zur Geltung, die dem Werk innewohnen. Ich war zu dieser Zeit ein junger Student und begleitete eine Reihe von Musikern auf dem Klavier. Dieses Werk wurde einer meiner ersten „Ohrwürmer“. Heute würde ich es selbstverständlich nur auf der Blockflöte spielen, aber trotzdem werde ich dabei immer auch Jean-Pierre im Ohr haben.

Welche Komposition(en) Telemanns würden Sie mit auf die legendäre einsame Insel nehmen?

So sehr ich es liebe, Telemanns Vokalwerke aufzuführen, so würde ich, wenn ich mich für ein Werk entscheiden müsste, Telemanns Tafelmusik auswählen. Diese Sammlung ist exemplarisch für Telemanns anscheinend grenzenloses Vorstellungsvermögen und seinen Abwechslungsreichtum. Es gibt ganze Themen, die von einer Oktave abgeleitet sind, sowie wunderschöne Kombinationen unterschiedlicher Instrumente und man ist stets überrascht von den Veränderungen, die sich von Satz zu Satz vollziehen.

Ich glaube, dass Reinhard Goebels Aufnahme der Tafelmusik noch immer eine der erfolgreichsten ist, und sie würde definitiv einen Platz in meinem Rucksack für die Reise zur einsamen Insel finden.


Worüber würden Sie sich mit Telemann bei einem Glas Wein gern unterhalten wollen?

Es gäbe zwei Dinge, die ich mit Telemann gern bei einem sehr guten – immerhin war er ein Bonvivant – Glas Wein besprechen würde. Wie wir wissen, brachten Telemanns Lebensdauer und seine Arbeitsdisziplin ihn dazu, eine Fülle von Werken zu komponieren.

 

Was ich dabei bemerkenswert finde ist, wie er den Übergang vom Barock zum galanten Stil der frühen Klassik gestaltet, was sich offenkundig an Werken wie „Ino“ oder „Der Tag des Gerichts“ zeigt. Ich hätte daher gern seine Rolle in diesem Epochenwechsel diskutiert und ihn gefragt, ob er das Gefühl hatte, einem neuen Trend zu folgen oder eher daran teilzuhaben, ein neues Kompositionsprinzip zu erschaffen. Seine Annäherung an den neuen Stil findet sich allerdings eher in den Sätzen seiner späteren Stücke, als ob er sich der Entwicklung hin zu einer neuen Energie und Klarheit des Klangs bewusst war. Sah er das wirklich als einen Fortschritt oder erfüllte er einfach die Wünsche des damaligen Publikums? Andererseits wurde ich gern über Telemanns Sensibilität sprechen, innerhalb eines Werkes in vielen verschiedenen Sprachen zu komponieren, z.B. im „Orpheus“. Seine kompositorische Flexibilität zeigt sich beispielsweise, wenn er vom Französischen ins Deutsche und dann ins Italienische wechselt. Mehr als einmal sieht es so aus, als ob er die Sprachen mit einem gewissen Sarkasmus verwendet, aber das ist möglicherweise auch nur eine moderne Interpretation. Ich wurde jedenfalls gern seine Haltung zu diesem Thema kennenlernen.


Was hat Telemann, was andere nicht haben?

Wie schon erwähnt, finde ich, dass Telemanns Talent in der Kombination seiner eleganten Gefühlsbetontheit, seines Scharfsinns und seines sogar in Instrumentalwerken anzutreffenden opernhaften Vorstellungsvermögens liegt. Er war ein musikalischer Dramatiker, und seine Vielfalt an Farben und Texturen sowie sein reichhaltiger Gebrauch unterschiedlicher Genres und Motive geben ihm einen musikalischen Gustus, den ich stets belebend finde.

 
[Quelle: Telemann aus Magdeburg. 50 Jahre betont. Programmheft der Magdeburger Telemann-Festtage, 9.-18. März 2012, S. 37.]


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